
Jürg E. Kürsener, Oberst i Gst a.D., lic.rer.pol.M.S, Militärpublizist
US Präsident Trump hat den Einsatz des Atomflugzeugträgers USS «Harry S. Truman» (HST) im Roten Meer um einen Monat verlängert, zudem befindet sich auf seine Weisung das Schwesterschiff, die USS «Carl Vinson» u.a. mit einer Staffel F-35C an Bord, auf dem Weg in die Region. Schliesslich hat Ende März ein dritter Atomflugzeugträger, die USS «Nimitz», San Diego in Richtung Indo-Pazifik verlassen. Parallel dazu wird auch eine Präsenz von US Bombern des Typs B-2 auf der Insel Diego Garcia mitten im Indischen Ozean aufgebaut. Damit setzen die USA ein deutliches Zeichen gegenüber den Houthi Rebellen. Die Zuführung weiterer US Streitkräfte in der Region ist ferner als Drohkulisse gegenüber dem Iran angesichts dessen geplanter Nuklearrüstung zu sehen. Die verstärkte Präsenz von Flugzeugträgern gibt Anlass dazu, einen Blick auf eine Person zu werfen, die mit der riesigen Verantwortung des Kommandos über ein solches «capital ship» der US Navy betraut ist. Ich hatte Gelegenheit, mit Captain Chris Hill, einem der drei Kommandanten, ein längeres Gespräch zu führen.
Präsident Trump hat Mitte März seine Streitkräfte angewiesen, verstärkt gegen die Houthi Rebellen im Jemen vorzugehen, um die Sicherheit der Seewege durch das Bab el Mandeb ins Rote Meer zu garantieren. Dort werden seit dem Anschlag der Hamas auf israelische Bürger im Oktober 2023 immer wieder Handelsschiffe der USA und Israels, aber auch andere Ziele, darunter Israel selber, mit Raketen und Drohnen der Houthis bedroht. Diese erhalten die Waffen mehrheitlich vom Iran.
Die amerikanischen Einheiten, die unter der Führung des US Central Command (USCENTCOM) stehen, führen die Schläge gegen die Houthis vor allem ab den Begleitschiffen und derzeit mit Flugzeugen der Kampfgruppe um den nuklearen Flugzeugträger USS «Harry S. Truman» (HST), bald mit der USS «Carl Vinson». Super Hornet Kampfflugzeuge und die Begleitschiffe mit Marschflugkörpern greifen die Houthis an und wehren die Raketen- und Drohnenangriffe ab. Die USS «Harry S. Truman» steht unter dem Kommando des 50-jährigen Kapitäns zur See Chris Hill, dessen für Marineflieger übliche Rufname «Chowdah» ist, entlehnt aus einer amerikanischen TV-Comic-Serie.

Bis vor kurzem befehligte Hill noch den legendären Atomflugzeugträger USS «Dwight D. Eisenhower» (der IKE). Nach der Rückkehr von einer fast 10-monatigen Einsatzfahrt in die gleiche Region im letzten Sommer war für den Träger ein längerer Werftaufenthalt angesagt. Hill wurde deswegen vor einigen Wochen kurzfristig freigestellt, um das Kommando über einen anderen Träger, die USS «Harry S. Truman» zu übernehmen, eine eher unübliche Zweitverwendung für einen Flugzeugträger «Skipper». Die IKE hatte allerdings vor zwei Monaten nördlich von Port Said, unweit der Einfahrt zum Suezkanal, einen Zusammenstoss mit einem zivilen Frachtschiff. Dies hatte die Entlassung des verantwortlichen Kommandanten zur Folge. Der erfahrene Hill ist dann auf Weisung der Marineführung eingesprungen. Als «Skipper» führt er die HST derzeit im Kampf gegen die Houthis.
Ich hatte Gelegenheit, mich mit Chris Hill auf der IKE zu unterhalten. Locker und entspannt hiess mich der stämmige Kapitän auf dem riesigen, zwei Hektar grossen Flugdeck willkommen und führte mich in seine geräumige in-port cabin, die gleich unter dem Flugdeck liegt. Hill nutzt diese mit einem Porträt des Namensgeber des Schiffes, Präsident Dwight D. Eisenhower, geschmückte Kabine nur für repräsentative Aufgaben und während Ankerzeiten. Unterwegs und im Einsatz begnügt er sich mit einer kleinen Kabine gleich hinter der Brücke, der «at-sea cabin». So kann er nötigenfalls innert Sekunden und nicht selten im Schlafanzug auf der Brücke sein. Dort hat die diensthabende Mannschaft klare Weisungen, wann und unter welchen Umständen der Kommandant immer – auch nachts – zu informieren oder zu rufen ist. Das kann jede Nacht gut und gerne drei Mal oder noch häufiger ein Wecken des Chefs bedeuten.
Hill schildert seine Aufgaben, Sorgen und seinen Führungsstil. Der «Skipper» ist permanent, rund um die Uhr gefordert. Und dies während Wochen, manchmal gar Monaten mit raren Ruhepausen und ohne Hafenbesuche, es ist fast unmenschlich. Während den täglich 10 – 14 dauernden Flugoperationen bleibt Hill auf der Brücke, von dort aus erledigt er nebenbei administrative Arbeiten oder führt dienstliche Gespräche, sein Blick behält das Flugdeck und die Monitore immer im Auge. Er verlässt die Brücke nur dann, wenn er einen der eher selten gewordenen Flüge absolviert – daran hält er fest. Während einer Suezkanal Passage beispielsweise, die bis zu 18 Stunden dauern kann, verlässt Hill die Brücke nie, er bleibt auf seinem «Thron», selten gönnt er sich vielleicht für ein paar Minuten einen «power nap». Nur ein kurzer Moment der Unachtsamkeit kann zu einer Katastrophe oder Kollision führen. Jetzt ist der Boss noch zusätzlich gefordert, da die Houthis immer wieder versuchen, den Träger anzugreifen.
Flugzeugträger Kommandanten werden entsprechend selektioniert. Sie sind – und das sieht man ihnen rein äusserlich kaum an – in jeder Beziehung gestählt und widerstandfähig, ganz abgesehen von ihren beruflichen und intellektuellen Fähigkeiten. Bloss 11 Offiziere in der US Navy schaffen es, während einem bis zwei Jahren einen Flugzeugträger zu kommandieren. Ihre Verantwortung ist immens. Sie sind Herr über eine 100’000 Tonnen schweres und 330 Meter langes Schiff, auf welchem bis zu 5’000 Seeleute dienen, über 70 hoch moderne Flugzeuge, darunter auch F-35C, sowie über zwei Nuklearreaktoren, die dem Koloss mit vier riesigen Schrauben eine Geschwindigkeit von über 50 km/h verleihen. Der materielle Wert beträgt rund 15 Milliarden US Dollar. Entsprechend kompromisslos ist die Selektion der Trägerkommandanten. Eine der Grundvoraussetzungen zum Kommando ist die Erfahrung als Marinepilot oder in einer anderen fliegenden Funktion. Früher waren es ausschliesslich «fighter jockeys», seit wenigen Jahrzehnten sind es auch Helikopterpiloten oder Flieger von Propellermaschinen. Vor vier Jahren schaffte es mit Captain Amy Bauernschmidt zudem erstmals eine Frau.
Hill, Sohn eines Navy Unteroffiziers, hat all diese Phasen erfolgreich durchlaufen. Bevor er seine militärische Laufbahn begann, schloss er das Bachelor Studium in Politikwissenschaften an der Tufts Universität in Boston ab, später – als Marineoffizier – ergänzte er seine Studien mit einem Masterabschluss in Sicherheitspolitik an der Georgetown Universität in Washington D.C. 1997 erwarb er sich die begehrten «Wings» eines Marinefliegers und diente danach vor allem in Staffeln der Radar-Luftraumüberwachung und -kontrolle. Dazwischen erweiterte er seine Kenntnisse in der legendären «Top Gun» Schule für Luftkriegführung in Nevada. Auf dem Flugzeugträger USS «George H.W. Bush» kommandierte er eine E-2C «Hawkeye» Radarfrühwarn-Staffel. Einschneidend sei dann die Zulassung zum sogenannten «Nuclear Power Training» gewesen, einem mehrmonatigen Pflicht-Lehrgang für künftige Träger-Kommandanten. In der US Navy sind alle 11 Flugzeugträger atomgetrieben. Das Zurück zur Schulbank, häufig mit 14-Stunden Tagen, über sechs Monate, oft inklusive Wochenenden, und die praktische Arbeit an einem nuklearen Testreaktor seien sehr hart gewesen. Dies habe trotz einer verständnisvollen Familie im Hintergrund hin und wieder zur Frage geführt, ob sich das alles überhaupt lohne.
Es folgte dann die Zeit als «Executive Officer» oder X.O., der Nummer zwei auf einem Flugzeugträger. Diese Phase trenne die Spreu vom Weizen, so Hill. Der X.O. ist eigentlich für alles zuständig, er führt die 18 Departemente – wovon allein im «Nuklear Departement» 480 Leute arbeiten – und ist das «Mädchen für alles». Er führt die Tagesgeschäfte der schwimmenden Stadt, während sein Boss, der Kommandant des Trägers, die Rolle des Bürgermeisters wahrnimmt. Diese Phase sei für ihn äusserst streng, aber lehrreich und die beste Vorbereitung für die spätere Funktion gewesen. Dabei sei er sich stets bewusst gewesen, dass er als X.O. massgeblich für den Erfolg oder Misserfolg des Kommandanten verantwortlich gewesen sei. Hill hat dies offenbar gut gemeistert, denn kurz danach wurde er mit dem Kommando über die USS «Arlington» betraut, eines 26’000 Tonnen grossen amphibischen Docklandungsschiffs. Auch das ist ein obligatorischer Schritt für künftige Trägerkommandanten. Sie müssen auf dieser Tour ihre Eignung zum Führen und Kommandieren eines grossen, sogenannten «deep draft» Schiffes unter Beweis stellen. Nicht alle Anwärter haben Erfolg, gelingt es aber, folgt die Krönung der Laufbahn mit der Übernahme des Kommandos über einen Flugzeugträger. Dass ein solches Kommando angesichts der rigorosen Selektion später ein Sprungbrett zur Beförderung in einen Admiralsrang bedeuten kann, liegt auf der Hand. Es erträgt aber auch keine Fehler. Diese führen, wie das Beispiel im Februar 2025 gezeigt hat, unweigerlich zum Karriereende.

Hill ist ein atypischer Trägerkommandant. Er ist extravertiert, umgänglich, kommunikativ und die Erklärungen sprudeln nur so aus ihm heraus. Dies im Gegensatz zum gängigen Bild der anderen «Skipper», denen oft das nüchterne und asketische Wesen eines Fliegers nachgesagt wird. Hills Mantra, welches er mit Leidenschaft erläutert, ist die Nähe zu seinen Leuten. Er hat den Ruf eines geborenen Führers, der «Alte» will die Sorgen und Mühen seiner Leute kennen und hautnah mitbekommen, er will ihnen aber auch erklären, was er und das Schiff gerade tun. Die Ideen zur Verbesserung der Moral gehen ihm nicht aus. Wenn es sein Dienst erlaubt, bewegt er sich fast täglich unangemeldet irgendwo auf dem Schiff und spricht mit allen, von zuunterst tief unter der Wasserlinie bis zuoberst auf die Flaggbrücke sind es etwa 15 Decks. Der X.O. oder der Navigator übernehmen dann für kurze Zeit seine Funktion. Und wenn dies einmal nicht möglich ist, dann spricht er über das bordeigene Lautsprechersystem zu seinen Leuten. Hill ist kein Mann der IT-Generation und doch nutzt er die Social Media gekonnt. Dies hat in der Navy einiges Aufsehen erregt. Er bindet die Angehörigen zuhause in den USA in den Alltag der Navy ein. Fast täglich heisst er einen Seemann auf der Brücke willkommen, dieser darf seinen «Thron» besteigen, das Foto mit dem «Alten» wird mittels X bzw Twitter veröffentlicht und den Eltern oder Freundinnen nach Hause geschickt. Er lässt sie auch das Internet und den Mailverkehr nutzen, wo immer das die Operationen des Trägers zulassen. Für Hill ist die Motivation seiner Mannschaft essentiell. Selbst die Verpflegung, Dienstag ist der Taco-, Mittwoch der Pizza- und Samstag der Burger-Tag, ist Teil der Moral. Rituale und Traditionen gehören dazu, ebenso wie auf der IKE der Hund «Demo», der gemäss Hill eine gewichtige Rolle zum Stressabbau für alle Leute an Bord habe. Moral sei nicht bloss eine Angelegenheit des Urlaubs, vielmehr sei sie ein entscheidender Faktor für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
Das Gros der Mannschaften ist sehr jung, bloss zwischen 18 und 20 Jahre alt. Wenn sie sich für die Navy verpflichten und diese sie auf eine achtmonatige Einsatzfahrt auf einem Kriegsschiff mit begrenzter Lebensqualität mit bloss einem oder zwei Hafenbesuchen schickt, sind die Vorgesetzten massiv gefordert. Und richtig schwierig werde es dann, wenn die politische Führung infolge einer plötzlichen Lageverschärfung im Nahen Osten den Einsatz des Trägers um Wochen oder gar Monate verlängert, so wie jetzt für die HST. Im Roten Meer bedeuten die häufigen Alarme wegen dem Beschuss durch Houthi Rebellen zusätzlichen Stress. Hill erlebt dies jetzt zum zweiten Mal. Er habe deswegen eine neue Ruheordnung angeordnet, denn der Schlaf sei ein wesentlicher Faktor, um Unfällen vorzubeugen und die Stimmung zu erhalten. Medienberichte, wonach sein Träger von den Houthis unter Beschuss und getroffen worden sei, dementiert er heftig. Er könne auf einem Rundgang zeigen, dass dies nicht zutreffe. Im Übrigen, so meint Hill, seien Träger entgegen häufig gemachter Kommentare, äusserst überlebensfähig und seien auch so gebaut, dass sie Treffer einstecken könnten.

Mit Fordern kann eine hohe Moral nicht gewährt werden. Es sind zahlreiche sinnvollere Massnahmen zwingend nötig, die vordergründig unbedeutend erscheinen mögen, aber letztlich – so ist Hill überzeugt – die Mannschaft zufrieden stellen und damit auch Leistung generieren. Hill informiert die Besatzung über alles, soweit er darf, auch über das, was er an Befehlen erhält und er erklärt die Hintergründe solcher Anordnungen. Er erzählt ihr, welche Einrichtungen der Houthis durch die Marineflieger zerstört worden seien. Er lässt mit anderen Worten die gesamte Mannschaft am Alltag teilhaben, der manchmal für die Leute tief unten im Rumpf unter der Wasserlinie oder in den Bordküchen so weit weg ist. Er informiert sie aber auch über den «Captains Mast», jene «Sprechstunde», in welcher er zusammen mit seinem uniformierten Rechtsberater und dem direkten Vorgesetzten mit dem «Schuldigen» Disziplinarfälle behandelt und nötigenfalls auch Strafen ausspricht. Dies kann von Geldstrafen, über Arrest, Urlaubssperre, Degradierung bis – im Falle von Drogendelikten beispielsweise – hin zur Entlassung führen.
Der umgängliche und kommunikative Kapitän zur See hat gleich zu Beginn seiner Kommandozeit auf der IKE rasch ein eigenes Büchlein im Taschenformat «The Way of the Warrior Sailor» verfasst, welches er jedem Besatzungsmitglied abgibt. Man merkt allein durch seine engagierte Art der Erläuterung dieser «Führungsgrundsätze», wie sehr diese ihm eine Herzensangelegenheit sind. Er will seinen Leuten zeigen, dass ihre Arbeit – und sei diese noch so einfach – geschätzt wird und ein wertvolles Teil im Puzzle aller Tätigkeiten darstellt. In seinem Büchlein beschreibt er kurz und bündig seine Mission «Unsere Aufgabe ist es, Flugzeuge zu starten und zu landen, um Bösewichte zu bestrafen», als Vision nennt er «Das verdammt beste Schiff in der Navy zu sein». Eine negative Sprache, Schreien oder Leute öffentlich zu massregeln bezeichnet er als fehlgeleitete Kommunikation. Dies heisse aber nicht einen Verzicht darauf, Fehler zu benennen und zu korrigieren. Jeder Fehler müsse letztlich in einen Lernprozess münden. Geist, Körper und Seele sind eine Einheit, sie sollen gepflegt werden. Schlechtes Benehmen wird nicht toleriert. Hill schliesst seine Gedanken und Anregungen im Büchlein mit individuellen Erwartungen, die er an die höheren und jüngeren Offiziere, Unteroffiziere und Matrosen stellt. Er strebt danach, bei allen Besatzungsangehörigen an Bord die Erkenntnis zu schärfen, dass alle wichtige Beiträge zur Auftragserfüllung leisten, dass sie alle «Warriors» sind.
Offenbar ist er mit dieser authentischen Art erfolgreich, denn die Besatzung mag ihn und schätzt seine offene, transparente Führung. Was nicht etwa heisst, dass er ein «softie» ist, im Gegenteil, sonst hätte er es wohl kaum soweit gebracht. Er kann auch resolut fordernd sein und lässt keinen Irrtum aufkommen, wer der Chef ist. An erster Stelle für ihn steht unantastbar das oberste aller Ziele, nämlich das Schiff und sein Team kriegstüchtig und überlebensfähig zu machen. Oder wie er selber verschmitzt meint, er will die HST wie einst die IKE zum «best damn ship» in der Navy machen. Hill und der Flottenverband sind in dem engen Roten Meer und angesichts der Nähe und Unberechenbarkeit der Houthis massiv gefordert. Die Aktivitäten in der Region dürften von allen Seiten, von den Houthis, dem CENTCOM, der Trägerkampfgruppe selber, dem Iran, Russland, aber auch vom Pentagon weiterhin genauestens verfolgt werden. Getroffen zu werden ist für die USS «Harry S. Truman» und ihre Begleitschiffe keine Option.